Gedanken über den Fortbestand des notwendigen Basis Reitsports….
Im 16. Jahrhundert war der Reit-u. Turniersport nur den Adligen und ganz Reichen vorbehalten. Im laufe der Jahrhunderte entwickelte sich der Pferdesport erst aus den bäuerlichen Arbeitstieren, über Wegfall als Transportmittels beim Siegeszug des Automobils ganz allmählich aber stetig zu einer Basis Sportart für jedermann. Die deutsche Reitlehre, entwickelt beim Militär, die sogenannte Heeresdienstvorschrift bildete die Grundlage des sogenannten „englischen Reitstils“.
Aber wo steht der (englische) Reitsport im Jahr 2020?
Aktuell kann man sagen das er so gut wie nicht mehr vorhanden ist. In meiner Jugend (70er/80 er Jahre) waren die Reitställe und Reitvereine übervölkert von jungen Menschen. Vom blauäuigen Black Beauty Fan bis zum ehrgeizigen Ludger Beerbaum Bewunderer. Wer mit dem Reitlehrer auf das Reitturnier fahren durfte war der große Held und wurde beneidet. Die Warteschlange war lang auch nur das Turnierpferd führen oder gar putzen zu dürfen. Heute im Jahr 2020 klagen Veranstalter über eingebrochene Starterzahlen, Reitvereine über fehlende bzw. knappe Mitgliederzahlen. Pferdezüchter über mangelnden Absatz bzw. schlechte Preise. Was ist passiert das so eine einstmal beliebte Branche an die Wand gefahren ist?
Hier einige private Überlegungen… im Jahre 1999 wurde der Anhängerführerschein angeführt, daraus resultierte das der Weg zum Turnierreiten deutlich erschwert wurde. Vorbei die Zeit sich einfach ein Auto mit Hänger ausleihen und losdüsen. Schon diese „Kleinigkeit“ schreckte viele vom Weg in den Turniersport ab, weil der Aufwand dadurch größer und teurer wurde…. Gedanke zwei: Um die Vielzahl der verschiedenen Pferde in den Griff zu bekommen wurde ca. 2000 von der EU die sogenannte Pferdepasspflicht eingeführt. Anfangs hieß das für jedliche Schulbetriebe auch das kleinste Pony zu registrieren und bei der FN einzutragen. Viele Reitvereine scheuten diese Kosten und verzichteten dadurch auf die Turnierteilnahme ihrer Reitschüler. Auch die Neufassung der LPO (Wegfall Kategorie C,B u. A) führte erst einmal zu Missverständnissen und weiteren negativen Zahlen. Zwei Jahre später wurde es dann die heutige Fassung – strikte Trennung in WBO und LPO gebracht. Ein Großteil der ambitionierten Reitschüler blieb in dieser Zeit auf der Strecke. Da die Liebe zum Pferd jedoch ungebrochen ist entwickelten sich alternative Reitstile wie Sand am Meer. Da Reitlehrer nach wie vor kein geschützter Begriff ist konnte und kann jeder Unterricht geben, der nur einen Hauch besser ist als der Schüler. Auf lange Sicht war das Ergebnis schlechtere Grundausbildung der Reiter. Da aber auch die Pferdezucht sich weiter entwickelte konnte viel, aber nicht alles mit besser bedienbaren Pferden ausgeglichen werden. Der nächste Teil kehrte aufgrund mangelnder Ausbildung und dadurch mangelndem Erfolg dem Basisturniersport den Rücken. Der Versuch der FN durch vermehrte Motivationsabzeichen und gefühlte 50 verschiedene Reitabzeichen die verlorenen Kinder zurück zu gewinnen scheiterten kläglich. Selbst die Senkung der Anforderungen am Turnier z.B. Reiterwettbewerb ohne Galopp brachten keinen Erfolg. Mit dem Niedergang des Basisturniersportes entwickelte sich der Siegeszug des elitären Sportes. Seit 2006 gibt es die Global Championstour Serie. Mit mehrstelligen Millionenbudget ausgestattet und Möglichkeiten des Einkaufes für die Teilnahme ist dieser Teil des Reitsports nur den Superreichen zugänglich. Lieschen Müller kann nur fasziniert zusehen und mit einem „Hippogame“ vor sich hinträumen. Diese elitäre Serie führte auch zu einem nie gesehenen Konsumverhalten in Sachen Reitsportequipement. Sättel um bis zu 5000 € pro Stück, Trensen für 1000 €, Schabracken um 250 €…. jedem „normalo“ schlackern da die Ohren wenn er diese Preise hört. Und jedem Elternteil dessen Kind reiten lernen will ebenso. Durch die Vielzahl der elitären Turniere mit Top Bedingungen für Reiter und Pferde wurde auch der Anspruch der Basis an die Turniergegebenheiten höher. Für die Reitvereine, die eh schon am Existenzlimit standen ein weiterer Einbruch der Starterzahlen. Erhöhte Futterkosten, Strom und Wasserkosten machen die Pferdehaltung nicht günstiger. Stark steigende Immobilienwerte in Ballungsgebieten und steigende Lohnansprüche tun ihr übriges. Auch die Produktionskosten für ein Pferd sind die letzten 10 Jahre enorm gestiegen. Vor Einführung der künstlichen Besamung führ der Züchter mit seiner Stute zum Hengst bezahlte 500 Mark und im Jahr darauf hatte er ein Fohlen oder eben nicht. Mit Einführung der künstlichen Besamung und dadurch hinzu gekommenen Tierarztkosten erhöht sich zwar die Rate der geborenen Fohlen aber auch der Entstehungspreis. Züchter können Samen aus ganz Europa beziehen doch die 500 Mark sind längst Vergangenheit. Heute sprechen wir von 1000 – 3000 € pro Hengst. Leider kam der Markt in Deutschland mit der Teuerungsrate in der Pferdezucht nicht ganz mit. Durch den Wegfall der Basis sind nur vereinzelte Pferde mit entsprechendem Talent mit Gewinn zu vermarkten. Kein Mensch der Welt will etwas produzieren was im Verkauf nur die Hälfte wert ist (wobei wir das selbe Problem in der Landwirtschaft mit den Kälbern schon länger haben). Das wird auf längere Sicht einfach heißen die bäuerliche Basiszucht wird aussterben. Gefragt sind nur noch Pferde die genetisch Toptalent erwarten lassen. Meist produziert im Embryotransfer oder ICSI (In-vitro-Embryonenerzeugung). Sicherlich auch keine Kostenreduzierung. Trotzdem werden sicherlich 70 % Pferde geboren werden die den Erwartungen nicht entsprechen. Nur Schade das die dann keiner mehr braucht….denn ohne Basis kann niemand leben.
Übrigens waren im Jahr 2000 94.854 Reiter bei der FN registriert. 2018 waren es noch 81.344…. das sind fasst 15%… genau 14,24 %