Was ist Selen?
Selen ist ein Halbmetall und schon geringe Mengen wirken giftig. Anorganische Verbindungen sind z.B. Natriumselenat (Na2SeO4) und Natriumselenit (Na2SeO3). Pflanzen nehmen Selen ausschließlich in Form des Selenats auf und bauen daraus organische Verbindungen wie die Aminosäuren Se-Methionin, Se-Adenosyl und Se-Cystein auf.
Selen ist lebensnotwendiger Bestandteil verschiedener Enzyme oder Proteine und schützt somit die Zellen vor oxidativer Zerstörung. Selen und Vitamin E ergänzen sich in ihrer antioxidativen Wirkung. Neben seiner Bedeutung für die Membranstabilität, besonders in Organen mit erhöhtem Zellstoffwechsel, beeinflusst Selen die Prostaglandinsynthese sowie den Muskel- und Schilddrüsenstoffwechsel. Selen und Vitamin E unterstützen das Immunsystem und sind von Bedeutung für eine optimale Fruchtbarkeit und Eutergesundheit der Tiere
Auszug aus der Dissertation von Alexandra Freismuth über den Einfluss der Fütterung von Vitamin E Selen auf die Muskulatur von Sportpferden, München 2004
Selenvorkommen
Die Deckung des täglichen Bedarfes an Selen ist in Selenmangelgebieten bei alleiniger Fütterung wirtschaftseigener Futtermittel nicht möglich (HEIKENS, 1992). Um einen niedrigen Selengehalt der Grundfuttermittel und Getreide auszugleichen empfehlen SCHWARZ und KIRCHGESSNER (1979) einen Sicherheitszuschlag von 0,05-0,1 mg Se/kg TS der Gesamtration. FRANK stellte in seiner Studie 2001 fest, dass Pferde in seinem Versuch trotz sehr viel geringerer Zufütterung (50 µg/kg Trockensubstanz) keine Mangelerscheinungen zeigten.
Selenreiche landwirtschaftliche Nutzflächen finden sich in den USA, Kanada, Australien und Israel, während in China, Neuseeland und den europäischen Ländern mit relativ geringen Selenkonzentrationen gerechnet werden muss (DETLEF, HERTSCH und WOLLGIEN-HAHN, 1995). Daher kommen in Deutschland subakute Selenvergiftungen bei Pferden selten vor (FRANK, 2001).
Selenbedarf des Pferdes:
Bedarfsangaben reichen von 0,1 bis zu 2,0 mg Se /kg TS der Futterration. Zu beachten ist, dass der von PULS angegebene Gehalt von bis zu 2,0 mg Se/kg TS von der GfE und dem NRC (1989) schon als Schwellenwert zur chronischen Toxizität beurteilt wird. Der NRC (1989) gibt für das Pferd eine LD50 von 3,3 mg/kg LM (Lebendmasse) an.
Bezogen auf die Körpermasse empfiehlt MEYER (2002) eine tägliche Selenzufuhr von 2,5 µg Se/kg LM zur Deckung des Erhaltungsbedarfs und des Bedarfs von Reitpferden (für 500kg LM: 1,25 mg Se/d). Für Zuchtpferde und Fohlen rät er zu
einer täglichen Versorgung mit 3,0 µg Se/kg LM (für 500kg LM:1,5 mg Se/d; für 100 kg LM: 0,3 mg Se/d). STOWE (1967) und PULS (1994) halten ebenso eine tägliche Zufuhr von 2,4 µg /kg LM für ausreichend.
Beeinflussung des Selenbedarfes
Der tägliche Bedarf an Selen ist von mehreren Faktoren abhängig. Nutritive Einflussfaktoren sind der Vitamin-E-Gehalt, die Fettsäurezusammensetzung und der Gehalt an schwefelhaltigen Aminosäuren (SCHWARZ und KIRCHGESSNER, 1979). Im Einzelnen bedeutet dies, dass ein höherer Vitamin-E-Gehalt des Futters den Bedarf an Selen senken kann (OELSCHLÄGER et al., 1969). Ein höherer Gehalt an ungesättigten Fettsäuren, wie z.B. jungem Grünfutter im Frühjahr und Frühsommer, Weidegras im Herbst (WINTZER, 1997) oder in der Muttermilch (NOHL, 1984) erhöht den Bedarf an Selen und Vitamin E. Auch die Aufnahme größerer Eiweiß- und Sulfatmengen steigert den Bedarf an Selen (OELSCHLÄGER et al., 1969; MEYER, 1995
Vitamin-E-Mangelsyndrome sind außerordentlich vielfältig, da sich die Reaktionsmuster dieser Mangelsyndrome in Abhängigkeit von Entwicklungsstadium und Tierspezies sehr unterscheiden. Am häufigsten findet man degenerative Veränderungen der Skelett- und Herzmuskulatur, aber auch hämolytische Anämien, Nekrosen im vaskulären System und im Nervensystem, Lebernekrosen, Enzephalomazie, sowie Fertilitäts- und Wachstumsstörungen.
Selen- und Vitamin E-Mangel bedingte Erkrankungen beim Pferd
Da Erkrankungen, welche durch Selen oder Vitamin E Mangel bedingt sind, schwer zu trennen sind wird im Folgenden auf Erkrankungen eingegangen, die sowohl durch einen Vitamin E als auch durch einen Selen-Mangel bedingt sein können.
Erkrankungen der Muskulatur:
- • Nutritive Muskeldegeneration:
Fohlen:
Beim Fohlen zeigen sich klinische Symptome eines Selenmangels in Form der Nutritiven Muskeldegeneration (NMD). Es existieren unterschiedliche Bezeichnungen für diese Erkrankung:
- – Weißmuskelkrankheit (BOSTEDT, 1977)
- – Weißfleischigkeit
- – White Muscle Disease (WMD) (GABBEDEY und RICHARDS, 1970)
- – Maladie des muscles blancs (GERBER, 1994)
- – Nutritional Muscular Dystrophie (NMD) (BOSTEDT, 1977)
- – alimentäre bzw. ernährungsbedingte Muskeldystrophie (SCHOUGAARD et al.,1972 ;BOSTEDT, 1979; GERBER, 1994)
- – enzootische Polymyositis (BOSTEDT, 1977)
- – enzootische Myoglobinurie
Pferd:
Beim adulten Pferd wird in der heutigen Zeit von einer Belastungsmyopathie gesprochen, deren Ursprung nicht nur an einem Selenmangel festzumachen ist. Die Belastungsmyopathie ist eine Erkrankung sowohl der Skelettmuskulatur als auch der Herzmuskulatur. Die Ermüdung der Muskulatur sowie die Art und Weise der Haltung und Ernährung des Pferdes sind wichtige Faktoren in der Ätiologie dieser Erkrankung. Verschiedene Bezeichnungen sind üblich:
- – Azoturie
- – paralytische Myoglobinurie
- – Feiertagskrankheit
- – Lumbago
- – Kreuzverschlag
- – akute oder bewegungsabhängige Rhabdomyolysis
- – Myositis
In der vorliegenden Feldstudie wurde im Doppeltblindversuch an insgesamt 90 Sportpferden (Warmblut, je Gruppe 2 Abbrecher wegen schwerer Kontrollierbarkeit, Verkauf Euthanasie wegen Kolik oder Beinbruch) während einer Turniersaison der Effekt von Vitamin E oder Selen (jeweils in doppelt bedarfsdeckender Dosierung über 120 Tage) bzw. des Placebos auf subjektiv vom Reiter wahrgenommene Probleme wie z.B. mangelnde Durchlässigkeit, vermehrtes Schwitzen, die mit Störungen des uskelstoffwechsels in Zusammenhang stehen können, überprüft. Vor Beginn und am Ende der Studie wurde der Plasmagehalt an Vitamin E und Selen bestimmt und ein umfangreicher standardisierter Fragebogen mit überwiegend skalierten Fragen (mit 28 Items zum Pferdeverhalten) vom Reiter im persönlichen Interview ausgefüllt und die Pferde hinsichtlich BCS und Trainingszustand verschiedener Muskelgruppen beurteilt. Die folgenden Ergebnisse wurden erzielt:
1. Die Plasmaselengehalte lagen bei der Mehrzahl der Pferde im Referenzbereich und stiegen nach Selenverabreichung an (vor Beginn 87,4±33,02 µg/100ml und am Ende 96,7±30,64 µg/100ml).
2. Der Gehalt an Vitamin E im Plasma lag bei allen Pferden im Referenzbereich (vor Beginn 4,04±1,46µg/ml und am Ende 2,93±1,15µg/ml). Er ging in alle Gruppen unabhängig von der Supplemtierung leicht zurück.
3. In allen drei Gruppen ergaben sich während der Supplementierung signifikante Verbesserungen der Pferde. Die Verbesserungen bezogen sich besonders auf stark subjektive Parameter wie die Durchlässigkeit. Bei 6 Pferden kam es zu einer Verbeserung von 7 (Problem ist stark ausgeprägt) auf 1 (Problem nicht vorhanden). Einen Unterschied zwischen den
abgefragten Problemen gab es nur bei der Frage nach übermäßiger Schweißbildung. Hier trat in der Selengruppe ein auffallender Rückgang ein.
Es gab keinen Zusammenhang zwischen niedrigen Selenspiegeln und einer besonders auffälligen Besserung von Problemen nach Selensupplementation. Die vorliegende Studie zeigt vor allem, dass auch oder gerade im Leistungssport bei
subjektiv zu beurteilenden Problemen wie Muskelverspannungen und daraus resultierenden Schwierigkeiten bei der Arbeit mit dem Pferd enorme Placeboeffekte möglich sind. In einem Extremfall wurde das Pferd nach der Verabreichung des Placebos als „unreitbar“ empfunden. Dies zeigt deutlich, dass Aussagen zu Erfolgen von Behandlungen aller Art, die sich auf vergleichbare Problematiken beziehen ohne eine entsprechende doppelt blinde Kontrolle wertlos sind. Andererseits kann nicht ausgeschlossen werden, dass in den eigenen Untersuchungen eventuell vorhanden geringfügige Effekte der Zulagen von Vit E oder Selen durch die starken Placeboeffekte verschleiert wurden.
Selenüberverorgung
Eine chronische Selenvergiftung wird bereits durch Selengehalte von 2mg/kg TS ausgelöst (MEYER, 1995). Folgeerscheinungen sind Anorexie und ein permanenter Rückgang der Leistungsfähigkeit des Tieres. Im weiteren Verlauf kommt es zu fortschreitender Schwäche und starker Abmagerung. Einige weitere Vergiftungssymptome kommen dadurch zustande, dass das Schwefelatom der schwefelhaltigen Aminosäuren, die Bausteine der Körpereiweiße sind, gegen Selen ausgetauscht wird.
Vollständige Publikation Uni München
Rationsgestaltung und Fütterungstechnik (entnommen lfl.bayern)
- Mindestmenge für Grundfutter1): 1 kg TM je 100 kg LG und Tag
- Höchstmenge für energiereiche Konzentrate: Getreidekörner ≤ 0,52) kg/100 kg LG und Mahlzeit
- Pflanzenöl ≤ 0,1 kg/100 kg LG und Tag (nach sehr langsamer Anfütterung und verteilt auf ≥ 3 Mahlzeiten)
- Mahlzeitenhäufigkeit Grundfutter in ≥ 2 Mahlzeiten geben. Die Anzahl der Kraftfuttergaben resultiert aus der energetisch notwendigen sowie der jeweils maximal erlaubten Menge
- Futterreihenfolge Grundfutter vor Kraftfutter
- Verzehrdauer Beim Fressen ist Stallruhe zu gewährleisten, nach Möglichkeit noch etwa 2 Stunden danach
1Angabe bezieht sich auf Gras, Heu oder Grassilage.
Strohreiche Rationen erfordern konstante Fütterungs- u. Nutzungsbedingungen (keine deutlichen Futterwechsel, keine Stehtage, ausreichende Bewegung!). Auch bei ausgewogenen Rationen sollte eine maximale Menge von 0,8 kg Stroh/100 kg LG nicht überschritten werden (Risiko von Verstopfungskoliken).
Von unbehandelten oder nur grob zerkleinerten Gersten und Maiskörnern dürfen maximal 0,3 kg/100 kg LG und
Mahlzeit gefüttert werden.
Bei hohen Kraftfuttermengen (z.B. für Springpferde der höheren Leistungsebene, Renn-, Vielseitigkeits- und Distanzpferde) sind deutlich mehr als drei Mahlzeiten einzuhalten.