Seit Jahren nimmt die röntgenologische Untersuchung beim Pferdeverkauf eine übergeordnete Stellung ein. Der klinische Zustand der eigentlich Priorität haben sollte rückt gänzlich in den Hintergrund. Und das obwohl nach Studien z.B. bei Zahnärzten bekannt ist das bis zu 50 / 60% falsch positive bzw. falsch negative Befunde die Norm sind! Gerade in dem Bereich, der für uns Pferdebesitzer besonders wichtig ist, nämlich Aufhellungen und Verschattungen was Zysten u. Chips bedeuten kann, ist die Fehlerquote besonders hoch. Nicht umsonst kursiert die Meinung ein Befund, drei Ärzte, fünf Meinungen…
Was das für uns Pferdezüchter u. Verkäufer bedeutet ist klar. Vom nicht Zustande kommen eines Verkaufs bis zum schmerzhaften Preisnachlass der deutlich unter den entstanden Kosten liegt. Auch die Einschätzung der Befunde die zu einer Lahmheit führen können war in der Vergangenheit oft falsch. So war z.B. der Befund „Mehrere große Canales sesamoidales“ (Veränderung am Strahlbein – umgangssprachlich Hufrolle) im Röntgenleitfaden 2007 mindestens als Röntgenklasse III-IV einstufen. Nach einer Studie von 2009 liefen aber 86,3 % der Pferde mit diesem Befund jahrelang problemlos im Sport. Im Röntgenkatalog 2018 ist dieser Befund deshalb nicht mehr als Risikobefund eingestuft. Für die Verkäufer bzw. Züchter war dies die letzten 10 Jahre quasi ein Millionenschaden. Auch die beliebten Rückenröntgenbilder (Kissing Spines), die wenn der Dornfortsatz Abstand des beurteilenden Tierarztes nicht weit genug war, führten oft zu Wandlungen bis zu teuren Gerichtsverhandlungen. Heute ist klar das diese Befunde ohne klinische Reaktion keine Auswirkung auf die Reiteignung des betreffenden Pferdes haben. Auch dieser Schaden sprengt sicherlich die Millionengrenze. Die Gerichte sind in der Zwischenzeit ebenfalls einen Schritt rückwärts gegangen. So urteilte der Bundesgerichtshof dass ein klinisch unauffälliges Pferd frei von Sachmängeln im Sinne der §§ 90a S. 3, 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 u. 2 BGB sei, selbst wenn in der radiologischen Untersuchung des Pferdes Abweichungen von der „physiologischen Norm“ festgestellt werden. Wenn seiner Verwendung als Reitpferd nichts entgegen steht und wenn nur eine geringe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass das Pferd künftig klinische Begleit- bzw. Folgesymptome entwickelt, sieht das Gericht das Pferd im Zeitpunkt des Pferdekaufs als mangelfrei an, BGH VIII ZR 266/06)
In weiteren Entscheidungen vom 21.05.2015 (1 U 1382/14) und vom 14.04.2016 (1 U 254/15) ist das Oberlandesgericht Koblenz noch weitergegangen.
Die Einordnung eines Pferdes in eine bestimmte (schlechte) Röntgenklasse bei einer tierärztlichen Untersuchung führe nicht zum Vorliegen eines Mangels beim Pferd, wenn klinische Symptome wie Lahmheit unter anderem (noch) nicht aufgetreten seien. Allein die Wahrscheinlichkeit, dass das Pferd später eine Lahmheit zeigt (z.B. in 50 % der Fälle) könne das Vorliegen eines aktuellen Mangels beim Pferd nicht begründen.
Man könnte unzählige Beispiele aufzählen von Pferden die ins Risiko getüvt wurden und jahrelang Spitzenleistungen im großen Sport brachten. Da die Tieräzte, die die sogenannte Ankaufsuntersuchung durchführen 10 Jahre lang haftbar für ihre Beurteilung sind, werden klinisch gesunde Pferde zum Wrack geschrieben wenn nur irgendein Indiz auf einen Risikobefund hindeuten könnte. Klar bei den häufigen unterschiedlichen Interpretationen der Röntgenbilder könnte ja der Gutachter zu einem anderen Ergebnis kommen also befundet man schnell mal in die Risikorichtung dann ist man aus dem Schneider…
Der Schaden der damit der Pferdezucht entsteht ist sicherlich nicht mehr bezifferbar. Ein klinisch völlig gesundes Pferd wird vom Kunden als krank bezeichnet, nur weil ein unklarer, schwer deutbarer Befund auf dem Röntgenbild zu sehen ist. Pferde sind Individuen und Röntgenbilder anscheinend auch….
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