Pferdezucht und Aufzucht bringt viel Freude und Erfüllung, jedoch auch viel Frust, Leid und Enttäuschung. Nicht jedes Fohlen kommt auch vierjährig unter den Sattel. Von der nicht lebensfähigen Frühgeburt bis zu den weitreichenden Verletzungsrisiken in der Aufzucht ist es ein langer Weg bis der Züchter ein „verkaufsfertiges“, angerittenes Sportpferd anbieten kann… eine kleine, jedoch schöne Geschichte möchte ich Euch hier erzählen. Vielleicht auch um manchen Züchter in auswegslosen Situationen etwas Mut zu machen und um einmal ganz klar zu sagen: Das Pferd an sich bestimmt seinen weiteren Werdegang, wir haben nur die Aufgabe die weiteren Entscheidungen dahingehend zu treffen und wir dürfen niemals aufhören den Pferden zu zuhören…
Anfang Mai wurde bei uns ein wunderschönes Stutfohlen geboren, korrekt, tolles Gesicht plus die passende sportive Abstammung. Soweit so gut. Im Alter von 14 Tagen kam sie Nachmittags hochgradig lahm von der Weide herein. Dem erfahrenen Züchter bzw. Aufzüchter ist meist sofort klar bei jungen Fohlen ist dies meist ein hellrot leuchtendes Alarmzeichen, vor allem wenn das Fohlen dann noch eine deutliche Schmerzatmung zeigt. In so einem Fall wird erst der Besitzer (falls es nicht das eigene ist) danach sofort der Tierarzt informiert. Sollte der befürchtete Befund wie Knochenbruch oder ähnliche schwere Befunde sich bestätigen ist leider mit schwerem Herzen die Euthanasie durchzuführen. Doch mache Fohlen haben sieben Leben….
Umstand 1: Der ausgewälte Tierarzt verschob die röntgenologische Untersuchung auf den nächsten Morgen in der Früh und das Fohlen bekam hochdosiert Schmerzmittel was die Situation auch ad hock leichter aussehen lies. Das Fohlen stand unter Schmerzmittel sogar selbstständig auf zum trinken.
Umstand 2: Am nächsten Morgen bestätigte die röntgenologische Untersuchung den Verdacht des Oberschenkelbruches am Hinterfuss und es wurde schweren Herzes entschieden das Fohlen einzuschläfern. Leider oder Gott sei Dank war dem Tierarzt die Zeit zu knapp das sofort und jetzt zu erledigen und da der Zustand des Fohlens in Anbetracht der Umstände „zufriedenstellend“ war, kein Schmerzfieber und keine Schmerzatmung mehr wurde der Termin auf (Freitag)Abend verschoben.
Umstand 3: An diesem Wochenende waren Höchsttemperaturen im Mai angesagt, die Tierkörperbeseitigung ist vor Montagvormittag nicht im Einsatz und da es dem Fohlen einigermaßen ging verschoben wir den Termin nochmals auf Sonntagabend. Auch der organisatorische Hintergrund die Stute als Amme zur Verfügung zu stellen um einem anderen Fohlen zu helfen spielt gedanklich mit ein. Nach eingehenden Telefonaten mit dem Fohlenbesitzer wurde der Termin verschoben und dieser Umstand verschaffte dem Besitzer die Zeit sich eine Zweit-u. Drittmeinung zu dem Befund einzuholen.
Umstand 4: Die zwei nachträglich konsultierten Tierärzte waren der Meinung das dieser Bruch konservativ ausheilen kann. Auf den Röntgenbildern war der Bruch noch nicht klar darstellbar aufgrund der Anatomie und der Möglichkeiten. Da der Besitzer ein wahrer Pferdemann ist und eine Chance auf das zukünftige Leben als Zuchtstute bestand (Orginalzitat Besitzer: „Wenn sie nur irgendwie schmerzfrei über die Koppel laufen kann reicht das“) wurde der Termin erneut abgesagt und ein Team organisiert.
Umstand 5: Es war klar das wir von der hohen Schmerzmitteldosierung abweichen mussten, wollten wir Spätfolgen von Magen und Nieren vermeiden. Also musste ein Team her das 24h im Wechsel alle 2 Stunden dem Fohlen beim Aufstehen half. Natürlich wiegt so ein Fohlen in dem Alter noch knapp unter 100 kg aber hinten nicht anfassen können oder wollen wegen der Verletzung stellte uns gedanklich schon vor Aufgaben. Klar war es geht nur mit zwei Mann. Wir haben eine Decke zurecht geschnitten und unter dem Fohlen durchgezogen um quasi beide Hinterbeine zu ersetzen. Nach bereits zwei Tagen war das Fohlen so schlau das es sich bereits hingesetzt hat wie ein Hund damit wir besser die Decke drunterziehen konnten. Mein allergrößter Dank geht an die Mannschaft die das möglich gemacht hat. Im einzelnen: Laura Öppinger, Franziska Binkenstein, Marlene Gröppner, Sabrina Zacherl, Jana, Annika, Susi und natürlich ich. Pferdeliebe endet meist dann wenn so Geschichten anstrengend werden und wenn der Wecker Nachts um 12 Uhr, dann um 2, dann um 4 und wieder um 6 Uhr geht. Das Fohlen wurde täglich besser bekam Gastrogard für den Magen, ein Probiotic für die Darmflora und wir konnten Stück für Stück die Schmerzmittel reduzieren. Nach drei Wochen war das Schmerzmittel auf null und dasFohlen blieb von sich aus sehr lange stehen so dass sich auch unser Einsatz reduzierte. Natürlich ist eine 24h Überwachung mittels Kamera unumgänglich um zu sehen wann liegt sie. Unser Ziel war das sie maximal 2h liegt und keine längere Trinkpause hat. Schön war anzusehen das sie immer munter und interessiert an ihrer Umwelt war und sich auch körperlich weiterentwickelt hat.
Natürlich gibt es auch sekundärprobleme wie etwas Wundliegen durch die langen Liegezeiten dem wir mit Schichtmatratzen entgegen gewirkt haben. Sie wurde besser und besser stand teilweise ein bis zweimal selbstständig auf wenn wir zu langsam waren. Mit Spannung wurde das Kontrollröntgen erwartet. Da der nächste Rückschlag eine verschobene Fermur eventuelle Trümmerfraktur. Doch ihr Besitzer meinte wir kämpfen weiter solange das Fohlen Lebensfreude und Lebenswille zeigt geben wir nicht auf. Und tatsächlich vier Wochen später brauchte sie uns nicht mehr. Mit Fünf Wochen fing sie an zu belasten. Wir vergrößerten die Box tagsüber damit sie einen leichten Anreiz hat und vor allem auch etwas mehr Sozialkontakt zu anderen Fohlen. Ab da ging es stetig bergauf. Aus der großen Box auf ein kleines Paddock, der Tag an dem sie auf das große Paddock mit Zelt durfte, vor allem auch Übernacht wegen der Hitze tagsüber es war in der Zwischenzeit ja Ende Juni, Anfang Juli war ein Highlight. Ein kleinerer Rückschlag war noch durch die lange Stehzeit der leichte Stellungsfehler, die Beugesehne hatte sich verkürzt. Doch durch den freiwilligen, kostenlosen Einsatz von Pferdephysiotherapie Linda Hedtke konnten wir auch dies schnell und unkompliziert innerhalb von 14 Tagen zurecht biegen.
Heute in der Nacht vom 26. zum 27. Juli war sie das erste Mal ber Nacht mit einer anderen Fohlenstute auf der Weide. Sie kam sehr müde aber heile heute morgen in den Stall.
Vielen Dank an alle Mitwirkenden
Natürlich ist uns klar das es verschiedene Ansichten und Meinungen zu diesem Thema gibt. Für uns war es aber die richtige Entscheidung. Wir haben es immer vom Zustand (Gesichtausdruck und Mentalität) des Fohlens abhängig gemacht. Und wer weiß es schon…. vielleicht kommt sie ja doch noch unter den Sattel….
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